EIN BAYER IN SEENOT

Warum sollte ein Bayer verreisen? Was sein Herz begehrt, hat er vor der Haustür: Biergärten, Berge und Seen. Alois Stadlhuber ist überzeugt: Es kann nirgendwo schöner sein. Nur seiner Freundin Moni zuliebe fährt er mit dem Cabriolet und einem Koffer voller Vorurteile an die Ostsee. Dort erlebt er sein blaues Wunder. Es fängt damit an, dass Moni mit seinem Cabriolet abhaut.
An ›› Moni
Von ›› Alois
Betreff ›› Spinnst du? Du Luder!

Servus Moni, du Luder, wenigstens mein Cabriolet hättest mir lassen können. Wie soll ich jetzt an den Chiemsee zurück? Ja spinnst denn du, einfach abhauen und mich hier sitzen lassen, in Ostholstein, an der Ostseeküste. Im Biergarten hättest dich verabschieden können, aber nicht hier. Der Wind pfeift mir ins Genick und die Möwen plärren. So was gibt es in Bayern nicht, aber du wolltest ja partout an die Ostsee, so wie du alles immer partout willst. Nur mich nicht. Es hat lange gedauert, aber jetzt habe ich es begriffen. Von meiner eigenen Freundin an der Ostsee ausgesetzt, das ist hinterhältig, da merkt es wirklich jeder. Ich hätte es mir ja gleich am Anfang denken können, als du beim „Bauernsepp“ in deinem Minirock angetanzt bist. Meine Spezis haben gleich gesagt, dass du zu fesch für mich bist und nichts von mir willst, höchstens mein Cabriolet. Jetzt hast du es, meinen BMW Z4 Roadster. Weißt du eigentlich, wie lange ich dafür gearbeitet hab? Das ist dir wurscht, ich weiß. Gestern Abend stand mein Roadster noch vor der Pension und am Morgen war er weg – und du mit ihm. Hättest du nicht mit einem Preußen abhauen können und mein Cabriolet da lassen? Einen Zettel hast mir auf den Frühstückstisch gelegt, neben meine Kaffeetasse: „Genieße deine Freiheit!“ Vermutlich haben es alle gelesen. Ich kam schließlich wie immer als Letzter. „Nicht wie immer“, würdest du jetzt sagen, es gab ja wenige Momente, da kam ich etwas früher als du, immer dann, wenn du mich tagelang auf Abstand gehalten hast. Ich schick die Email jetzt ab. Ab sofort nicht mehr „Dein“ Alois. Und nur damit du es weißt: Was du gemacht hast, ist unverzeihlich.

An ›› Moni
Von ›› Alois
Betreff ›› Der Erwin hat schon Recht

Servus Moni, „a so a Matz!“ Das hat mein Spezi Erwin immer über dich gesagt und jetzt weiß ich, dass der Erwin wirklich ein guter Freund ist und nicht nur eifersüchtig war, weil er nicht so eine schöne Freundin hatte, sondern nur die Agnes. Sie ist ja wirklich nett, die Agnes, aber „nett ist die kleine Schwester von Scheiße“ hast du immer gesagt und da hast du schon Recht gehabt, Moni. Moni. Moni. Moni! Du Luder hast mich an der Ostsee ausgesetzt, in der Lübecker Bucht. Jetzt schau ich mir mal an, was ich eigentlich nicht sehen will, aber wo ich eh schon einmal da bin. Schadet ja nicht und schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden. Fahr ich halt nach Lübeck – mit einem Leihwagen. Und du wolltest mich unbedingt heiraten. „Vertrauenssache“, das ich nicht lache, du hast mein Vertrauen missbraucht und jetzt missbrauchst du mein Cabriolet. Ich darf gar nicht daran denken, wie du mit der Kupplung umgehst. Probier es mal mit Gefühl, das ist doch die Spezialität der Frauen. Ich schick die Email jetzt ab, du brauchst gar nicht zu antworten. Der Alois. Ich hab übrigens auch Gefühle und du hast sie verletzt.

An ›› Moni
Von ›› Alois
Betreff ›› Ich krieg noch einen Vogel!

Lübeck, „die Königin der Hanse“, du Moni, da hätte es dir auch gefallen. So eine Hansestadt haben wir in Bayern ja nicht. Schade. Ich war am Holstentor, das kennst du von den alten 50-Mark-Scheinen, du hast anderen ja schon immer gerne das Geld aus der Tasche gezogen. Am Marktplatz habe ich bei Niederegger Marzipan für dich gekauft, aber da du es nicht verdient hast, habe ich es selber gegessen. Gut war’s. Morgen fahre ich an den Strand, ins alte Ostseebad Dahme. Hast du eigentlich gewusst, dass man die Lübecker Bucht auch Deutschlands Riviera nennt? Die Riviera, da wolltest doch auch immer hin. Und wo bist jetzt? In meinem Cabriolet. Ich krieg noch einen Vogel! Alois. Bei mir piept es wohl und bei dir erst.

An ›› Moni
Von ›› Alois
Betreff ›› Mein blaues Wunder

Du Moni, Kilometerlange, feinsandige Strände, so etwas gibt es in Bayern nicht. Ich hab mir einen Strandkorb gemietet, an der Strandpromenade ein kaltes Pils gekauft und aufs Meer geschaut, dabei habe ich fast gar nicht an dich gedacht und auch nur selten an den Chiemsee, aber öfters an mein Cabriolet. Irgendwie ist es hier schön, richtig bärig. Seebärig. Das verstehst du jetzt wahrscheinlich wieder nicht. Meine Wortwitze hast du ja noch nie schätzen können. Wieso sagt man hier eigentlich See zu so etwas Großem wie dem Meer? Verstehe mir einer die Preußen. „Am Meer erlebst du dein blaues Wunder“, hast du daheim zu mir gesagt. Hast du damals schon geplant, mich hier sitzen zu lassen oder hast du von deinem Heiratsantrag gesprochen? Von wegen Antrag, das war ein Überfall. du hast mir das Messer auf die Brust gesetzt. Da muss sich ein Mann wehren. Das ist ein Reflex. Reine Selbstverteidigung. „Warum denn?“ war doch keine schlechte Antwort, sondern eine berechtigte Frage. Ich hätte auch „Nein“ sagen können, das hab ich aber nicht. Wenn ich es mir genau überlege, wäre auch ein „Ja“ möglich gewesen. So ein Schmarrn! Ich heirate doch keine Frau, die am Morgen nach dem Antrag mein Cabriolet klaut. Damit bist du zu weit gegangen. Das hast du nun davon. Keinen Mann! Ich drück jetzt auf Senden. Alois, ich wäre der Mann für dich gewesen.

An ›› Moni
Von ›› Alois
Betreff ›› Nur um der alten Zeiten willen

Servus Moni, ich war auf der Insel Fehmarn, mit meinem Leihwagen. Da kommst hin, wenn du über eine lange Brücke fährst. Die Hauptstadt heißt Burg und da schaut es ganz anders aus, als bei uns. Mei, war es da schön! Ich hab die beste Fischsemmel meines Lebens gegessen, viel besser als die auf dem Rosenheimer Herbstfest. Fisch können die Norddeutschen. Merkst eigentlich, dass ich nicht mehr Preußen schreibe? Weil sie hier alle so freundlich sind, sogar zu einem Bayern wie mir. Du, ich mag die Norddeutschen. Am Abend habe ich der Sonne beim Untergehen zugeschaut. So ein romantischer Sonnenuntergang – und ich hatte ein Pils in der Hand. Alkoholfrei, wegen dem Leihwagen. Moni, da hätte ich dich dann doch fast vermisst und ein gescheites Weißbier auch. Dein Alois – nur um der alten Zeiten willen schreib ich ausnahmsweise „Dein“.

An ›› Moni
Von ›› Alois
Betreff ›› Ich spiel in der ersten Liga

Moni, das hättest du mir doch gleich sagen können: Hier gibt es richtige Seen, mit einem Ufer an allen Seiten. Ich war heute am Großen Plöner See in der Holsteinischen Schweiz und hab mir ein Fahrrad geliehen. Jetzt habe ich Muskelkater und ein bisschen Sehnsucht nach dir, aber ich muss nur an mein Cabriolet denken, dann ist die Sehnsucht nach dir wieder weg. Mach mir bloß keinen Kratzer rein! Übrigens war ich auch noch in Eutin, die Stadt hat schon immer Künstler und Intellektuelle angezogen. Da siehst du einmal, in welcher Liga ich spiele. du brauchst mich nicht mehr aufziehen, nur weil du ein bisschen mehr und schneller liest, als ich. Eutin, ich sage nur Eutin. Alois Eutin! Hier gibt es auch viele Rosen, das hätte dir gefallen. Eutin wird auch Rosenstadt genannt. So, jetzt weißt du es. Ich weiß es schon viel länger. Der schlaue Alois. Senden.

An ›› Moni
Von ›› Alois
Betreff ›› Dann heiraten wir halt

Liebe Moni, also irgendwie ist es schon schöner zu zweit, gerade, wenn es so schön ist wie hier. Ich gebe es jetzt ganz offiziell zu: An der Ostsee ist es so schön wie in Bayern, nur eben anders. Ja, es war richtig, in den Norden zu reisen, aber es war absolut falsch, dass du mit meinem Cabriolet abgehauen bist. Na ja, vielleicht gehört es eh bald dir. Ich hab mir nämlich was überlegt. Du bist zwar eine Matz, aber du bist halt doch meine Moni. Wenn du unbedingt heiraten willst, dann heiraten wir halt. Mein Cabriolet hast du ja schon. Gibt es einen größeren Liebesbeweis? Nein. Na also! Du checkst jetzt besser deine Emails, tankst unser Cabriolet voll und kehrst um. Es gibt hier wirklich viel zu sehen! Dein Alois – Ich kauf dir jetzt einen Ring und dann will ich ein „JA!“ hören. Du Luder du!