MUSEUMSQUARTIER WIEN: NACH ALLEN REGELN DER KUNST

Jahrelang wurde im historischen Herzen von Wien geplant, gestritten, geändert und gebaut, dann waren die barocken Hofstallungen von Kaiser Franz Josef endlich mit modernen Gebäuden zu einem Kulturareal der Superlative vereinigt. Das Museumsquartier gehört heute zu den Top Ten der internationalen Kunstszene. Auf 60.000 Quadratmetern haben alte Meistern, junge Wilde, Tanz und Kaffeehäuser die besten Plätze.

„Bellissima!“, freut sich Cinthia. Die junge Italienerin hat soeben ihren Lieblingsplatz im Nachbarland Österreich entdeckt. Es ist eine gewöhnliche Holzbank. Eine unter vielen. Rechts und links von ihr reihen sich identische Modelle auf. Dennoch kann sich Cinthia dafür begeistern. Der Grund: Die Bank steht, der Mittagssonne zugewandt, auf dem großflächigen Innenhof des neuen Museumsquartiers mitten in Wien. Wer auf ihren Brettern Platz nimmt hat die besten Aussichten. Er blickt auf drei Kunsttempel, die mit ihren besondern Inhalten Kulturliebende in New York und Paris vor Neid erblassen lassen: Das Leopold Museum, die Kunsthalle und das Museum für Moderne Kunst, Mumok genannt.

Eine Perspektive, die offensichtlich nicht nur Touristen gefällt. Besonders in der Mittagszeit sind die Bänke ein beliebter Treffpunkt von Wienern, die in der Innenstadt arbeiten und ihr Mittagssandwich in schöner Umgebung essen wollen. Eine Idylle? Jetzt ja.

Zwei Jahrzehnte haben sie sich gestritten: Kunstkritiker, Boulevard-Journalisten, Marktfrauen und Bildungsbürger. In ganz Österreich schien es kaum einen Menschen zu geben, der die Visionen der Wiener Architekten Ortner & Ortner nicht entweder bejubelte oder verdammte. Dabei hatten die beiden Brüder Gutes im Sinn. Sie wollten im Gebäudekomplex der ehemaligen Hofstallungen neuen Raum für Kunst schaffen und so eine Brücke von der Vergangenheit Wiens in die Zukunft schlagen. Nach langem Ringen ist es ihnen gelungen. Mit den Steinquadern des Leopold Museums und des Museums für moderne Kunst realisierten die Architekten die Herzstücke des 60.000 Quadratmeter großen neuen Kulturareals im Zentrum Wiens.

„Der weiße Kubus des Leopolds Museum hat den Charakter einer großen Villa und entspricht damit in etwa dem Privathaus, in dem sich die Bilder vorher befanden. Dem entgegengesetzt signalisiert das Museum für moderne Kunst als schwarzer hermetisch geschlossen wirkender Klotz Geschütztheit und Konzentration“, erklärt der Architekt Laurids Ortner. Immerhin bergen die dunklen Mauern auf drei oberirdischen und zwei unterirdischen Ebenen Schätze der modernen Kunst unter anderem von Pablo Picasso, René Margritte, Andy Warhol, Christo, Roy Lichtenstein und Robert Rauschenberg. Doch selbst diese hochkarätige Künstler-Konkurrenz kann dem Highlight der Eröffnungsausstellung kaum Aufmerksamkeit entziehen: Dem „Mouse Museum“ von Popartist Claes Oldenburg. Der amerikanische Künstler schwedischer Herkunft ironisiert in seinen Arbeiten die Konsumwelt. In seinem „Mouse Museum“ macht er dies besonders überzeugend und humorvoll. Das Werk konzipierte er als Miniausstellung, für die er einen Raum im Raum schaffte: einen begehbaren schwarzen Mickey-Maus-Kopf. Wer sich in die Dunkelheit hineinwagt, entdeckt, was Oldenburg zwischen 1965 und 1977 auf den Straßen von New York gefunden hat.

Dieser Minikosmos wurde nach einer Pause von zehn Jahren im Wiener Museumsquartier erstmals wieder aufgebaut. Eine Attraktion, die sich ihren prominenten Platz in der attraktivsten Etage des Mumoks verdient hat. Sie präsentiert sich im einzigen Stockwerk mit großem Fenster und damit wunderbarer Aussicht auf die alten Kaiserbauten Wiens, auf die Hofburg und auf den Heldenplatz. „Es gibt wahrscheinlich kein anderes Museum auf der Welt, das so eine schöne Lage hat“, schwärmt mit Wiener Dialekt der Hüter der Etage in seinem dunklen Dienstanzug. Er schwärmt zu recht, denn das gesamte Museumsquartier liegt im historischen Herzens Wien, zwischen dem berühmten Burgtheater, der bunten Einkaufsmeile „Mariahilfer Straße“, nahe dem berühmten Naschmarkt, der Oper und dem Volksgarten. Nicht zu vergessen, der angrenzende beliebte siebte Stadtbezirk „Spittelberg“. Mit seinen engen Gassen bietet er ein malerisches Ambiente mit Galerien, Boutiquen und Kunsthandwerksläden.

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Und was passiert auf dem sonnigen Innenhof mit den vielen Bänken? Er fungiert im Frühling und Sommer als Open Air Bühne für diverse kulturelle Veranstaltungen wie beispielsweise den Wiener Festwochen. Da bleibt der Italienerin mit dem Programm des Museumsquartiers in der Hand nur noch eines zu sagen: „Bellissima!“